Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die so betitelt werden. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte in Bezug auf diese Wortwahl einen Artikel, in dem über die Bedeutung der Begriffe diskutiert wird. Der Artikel lehnt sich an die Meinung vom Schweizer Pädagogen Roland Reichenbach und geht davon aus, dass die Nutzung des Wortes ‚bildungsfern‘ eigentlich noch schlimmer ist als der Gebrauch der Beschreibung ‚ungebildet‘. Wer sich mit den sozialen Ungleichheiten beschäftigt, der wird die genannten Begriffe nicht nutzen wollen. Der Umgang mit Sprache ist immer wichtig, besonders auch wenn es um die Arbeit im sozialen Bereich geht. Durch Sprache und Wortwahl definieren wir unser Umfeld, stellen Situationen und Verhältnisse dar und organisieren und kreieren letztendlich so unsere Welt. Und in einer Welt, in der die Chancenungleichheit immer stärker wird und in der sich die Schere zwischen denen, die Bildung erfahren können und denen, die diese Möglichkeit nicht haben, stetig vergrößert, ist der Sprachumgang erst recht zu betrachten. Es darf nicht verleugnet werden, dass es diese eben genannten Probleme gibt, ganz im Gegenteil. Aber wie so oft macht der Ton die Musik.

 

Sagen wir ‚Bildungsreichtum?‘

Die Worte ‚bildungsfern‘ und ‚ungebildet‘ fördern Schubladendenken, man könnte dabei sogar so weit gehen und sagen, dass dadurch Schubladen erst geschaffen werden. Wenn von einer ‚bildungsfernen Familie‘ die Rede ist, schwingt dann da nicht gleich eine Art Verurteilung mit? Natürlich müssen Differenzierungen vorgenommen werden, die Bildungswissenschaft braucht genauso wie die Pädagogik einen Ausdruck für die Realität, so wie jeder, der sich mit Bildung und deren Erziehung befasst. Aber eine Bezeichnung kann nicht über die andere gestellt werden, wenn beide das gleiche tun und die gleiche Wirkung haben. Nämlich ein Gedankenmuster in den Köpfen dieser Gesellschaft zu erschaffen, dass das vorurteilbehaftete Denken weiter fördert und mit aufstellt. Es wird ja auf der anderen Seite auch nicht von ‚Bildungsreichtum‘ gesprochen, was die Negativität des Begriffes der ‚Bildungsarmut‘ noch verstärkt. Müssen Kinder, Schüler, Eltern, Familien denn darüber definiert werden? Es hat den Anschein, als wäre es das Kriterium schlechthin. Vergessen wir trotz lauter Datenanalysen und Forschungsansätzen rund um das Thema Bildung nicht, dass wir es nicht nur mit Nummern zu tun haben, mit Unterteilungen, die vorgenommen werden müssen. Hinter jeder dieser Nummern befindet sich ein Mensch, der lebt und sich in einem Umfeld bewegt, das ihn ausmacht und formt. Und ob dieser Mensch Zugang zu Bildung hat, in einem Maß, das er sich selbst wünscht, liegt nicht immer in seiner Hand.

Text: Sarah Seeliger

Bild: Pinterest, Audrey-ism board