Leseförderung ist wichtig! Wir haben unser Interview mit Sarah Seeliger fortgesetzt und sind in die Details gegangen: Da wir letzte Woche schon von der Entstehungsgeschichte Librileos und dem Leseförderprogramm erfahren haben, geht es diese Woche um die Umsetzung und Unterstützung für das Programm von Librileo, Schwierigkeiten und Möglichkeiten.
4. Welchen Schwierigkeiten steht Librileo gegenüber?
Es wäre hilfreich, wenn sich auf politischer Ebene viel mehr bewegen würde. Wir haben erreicht, dass Bundesministerin Dr. Franziska Giffey die Schirmherrin von unserem Leseförderprogramm ist. Wir haben aber auch schon an vielen Stellen gefragt, ob Fördermittel für Leseförderung zur Verfügung stehen. Leider ist es schwer, Kontakt aufzunehmen. Es ist schwer, in Gespräche zu gehen und Projekte zu entwickeln. Das ist quasi nicht möglich.
5. Gibt es Schwierigkeiten auf der Seite der Eltern und Kinder?
Von Seiten der Eltern haben wir wenig Probleme. Die Eltern sind am Anfang eher skeptisch, weil sie eben nicht ganz glauben, dass die Leseförderung kostenfrei ist. Da haben ganz viele Zweifel, aber ich denke das sind schon Probleme, die wir überwinden können. Die Zusammenarbeit mit Kitas ist nicht ganz einfach, weil dieser Erziehermangel natürlich dafür sorgt, dass Institutionen wie Kindertagesstätten überlastet sind, keine Zeit für Kooperationen haben und dem nicht nachgehen können. Wenn da die Zusammenarbeit besser wäre, könnten wir viel mehr Leute erreichen. Wir müssten in die Kitas und würden die Erzieher, die Eltern ansprechen.
6. Und was ist mit institutionellen Herausforderungen?
Die größte Herausforderung, an allererster Stelle, ist das Antragsverfahren, denn in allen Kommunen gibt es einen anderen Antrag auf Bildung und Teilhabe. Da werden eben auch von staatlicher Seite keine einfachen Lösungen geschaffen, um Bildungsarmut zu bekämpfen. Wenn Eltern das alles einfacher beantragen könnten und es nicht so eine Hemmschwelle gäbe, dann könnte man, glaube ich, schon an der Stelle vielen Familien helfen. Die Antragstellung ist anstrengend und belastend für die Familien. Immer wieder muss man sich offenbaren. An der Stelle ist das Thema von uns, also Bildung und Teilhabe und Leseförderung, ja nur ein kleiner Faktor. Das Thema ist für die Familien viel relevanter, wenn es um die Miete geht oder um wirklich hohe Beträge. Da haben die Familien einfach wirklich existenzielle Ängste und sind unglaublich belastet. Die Frage: Wird denn meine Miete diesen Monat überwiesen? Kann mein Kind mit zur Klassenfahrt? Habe ich genug Geld für eine Winterjacke für mein Kind? Das ist schon einfach zeitaufwändig.
7. Leseförderung ist wichtig. Wie könnte man mehr erreichen?
Wir könnten auch mehr erreichen, wenn tatsächlich auch mehr andere Akteure, beispielsweise auch Firmen bereit wären, mit uns gemeinsam Familien in Armut zu helfen. Wir sind geprüft und wir sind gemeinnützig. Wir machen keinen Gewinn und werden auch zu keinem Zeitpunkt Gewinn machen. Normalerweise müssten sehr viele Firmen sagen, „Wir möchten auch helfen. Denn Leseförderung ist wichtig!“ In vielen Bereichen sind Kooperationen manchmal immer noch schwer. Also ich glaube, da geht noch viel, viel mehr und viele Firmen machen ja Gewinn. In anderen Ländern, beispielsweise in Amerika und auch in Indien, müssen so und so viel Prozent an gemeinnützige Organisationen gegeben werden – das haben wir in Deutschland nicht! (…) Ich glaube, man kann von Anfang an etwas abgeben und helfen.
Aber wie könnte man noch mehr erreichen? – Wenn das Antragsverfahren für die Familien erleichtert würde! Das ist das Allerwichtigste. Es ist so verschieden (von Bundesland zu Bundesland) und kompliziert, dass es kein Mensch versteht. Das macht das Ganze auch schwer. Und eine Sache habe ich vergessen, ganz wichtig: Wir haben nur 50% Bewilligung für unser Leseförderprogramm, also 50% werden auch noch abgelehnt. Die Gründe wissen wir nicht. Das könnte sein, dass ein Grund ist, dass vielleicht mal die Nummer falsch dasteht oder schlecht leserlich sind. Es müsste der Familie normalerweise zustehen. Ansonsten wissen wir die Gründe nicht, warum es manchmal nicht durchgeht. Es kann auch mal sein, dass es verloren geht und die Mütter weiter nichts vom BuT wissen. Das ist ein riesen Aufklärungsthema! Wenn man in Deutschland fragt: Wer kennt das BuT? Das sind die wenigsten und das wissen die Eltern, die Hartz 4 bekommen, selber nicht, das wissen teilweise die Mitarbeiter im Jobcenter nicht, weil dort auch Mitarbeiterknappheit herrscht.
Das Interview führte Mariam Bonson.