Wir machen daraus kein Geheimnis, dass unser Angebot (die Librileo Bücherboxen) in Berlin über die Gelder des Bildungs- und Teilhabepakets finanziert werden können. Das finde ich so auch sehr richtig. Es gibt eine Vielzahl von Familien, die Transferleistungen beziehen und keine Mittel haben, um ihren Kindern den Zugang zu Büchern zu ermöglichen. In der Folge erwerben die Kinder keine Lese- und Lernkompetenzen und sind nicht ausreichend auf die Schule vorbereitet.
In Berlin kam es jetzt zu einem Fall, bei dem die Abschlussfahrt einer Oberstufenklasse mit Geldern in Höhe von 38.000€ aus dem Bildungs- und Teilhabepaket finanziert wurde.
Verfolgt man die Diskussionen und Kommentare, gibt es zwei Lager. Jene, die es OK finden und die anderen, die den Sozialstaat ausgenutzt sehen. Das empfinde ich als sehr undifferenziert und will kurz mein Sicht deutlich machen:
Grundsätzlich halte ich es für richtig, jenen Kindern und Jugendlichen Zugang zu Aktivitäten, Bildung o.Ä. zu ermöglichen, die ihn sonst nicht hätten. Anscheinend beziehen in besagten Fall 100% der Eltern in irgendeiner Form Transferleistungen. Das alleine halte ich schon für ein Achtungssignal, weil es in Berlin offensichtlich Kieze gibt, in denen alle Eltern auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und gesamte Klassenverbände drohen die nächste Generation von Hartz IV Empfängern zu werden. Es ist also davon auszugehen, dass die Eltern überhaupt nicht in der Lage gewesen wären, ihren Kindern diese Reise zu bezahlen und das den Kindern somit ein prägendes Erlebnis verwehrt geblieben wäre. Vielleicht ein Ereignis, dass die Entwicklung ihrer Bildungsbiographie positiv beeinflusst.
Auf der anderen Seite sehe ich den Lehrer. Einen engagierten Mann, der einerseits etwas Tolles für seine Schüler ermöglicht hat. Dabei aber wohlmöglich das richtige Maß aus den Augen verloren hat.
Am gravierendsten finde ich jedoch, dass die Schüler und Eltern ohne die Unterstützung des Lehrers kaum in der Lage gewesen wären, diesen Antrag auszufüllen. Analysiert man die Ursachen, die dazu führen, dass nur 20% der verfügbaren Mittel des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) in Berlin abgerufen werden und beschäftigt sich mit dem Antragsverfahren, so wird schnell eine signifikante Schieflage deutlich: Der Umfang des Antrags ist für die Eltern in der Regel kaum zu bewältigen. Hier wurde ein Angebot für Familien in schwierigen Lebenslagen geschaffen, welches sie auf Grund der Komplexität des Verfahrens kaum wahrnehmen können.
Ehrlich, ich freue mich für die Klasse und ich finde es toll, dass es so engagierte Lehrkräfte gibt. Aber ich würde mir wünschen, dass es eine vereinfachte Möglichkeit gibt, die Mittel zu beantragen. Warum ein Angebot wie das BuT schaffen, wenn es dann nicht genutzt werden kann? Bei Librileo gehen wir vor allem über Kooperationen. Wir bauen auf ein starkes Netzwerk von Trägern und Einrichtungen, die den Eltern helfen, die Anträge auszufüllen und unser Angebot in Anspruch zu nehmen.
Text: Sarah Seeliger
Bild: picture-alliance/dpa
Es ist grundsätzlich richtig, dass Kinder an Bücher herangeführt werden. Was mir in den Medien allerdings immer zu stiefmütterlich behandelt wird, ist die Rolle die die öffentlichen Bibliotheken spielen. Ich kann jetzt nur von Berlin sprechen, aber wussten sie, dass Kinder in Berlin diese Einrichtungen kostenlos nutzen können, dass Bezieher von ALG I und II ihren Benutzerausweis ebenfalls kostenlos bekommen und auch die Ausleihe in Berlin kostenfrei ist. Zur Anmeldung für Kinder wird nur der PA der Eltern und eine Unterschrift auf dem Anmeldeformular benötigt und die Erwachsenen brauchen ebenfalls nur ihren PA und den Berlinpass und können so ganz schnell einen Bibliotheksausweis (gültig in allen öffentlichen Bibliotheken Berlins) erhalten.
Ausgebildetes Fachpersonal gibt für die entsprechenden Altersgruppen zielgerichtete Buchtipps. Die Berliner Bibliotheken führen Veranstaltungen mit Kitas und Schulklassen durch, lesen vor und, und und. Der Buchbestand ist vielfältig und aktuell. In jedem Stadtbezirk gibt es mindestens 4 öffentliche Bibliotheken mit die an 5 bzw. 6 Tagen in der Woche geöffnet haben.
Nur hingehen muss man.
Liebe Sabine,
herzlichen Dank für deinen Kommentar – bitte entschuldige die späte Reaktion. Das Angebot der Bibliotheken kennen wir und wissen dieses natürlich auch sehr zu würdigen. Und trotzdem bleiben ganz viele Eltern übrig, für die Bibliotheken überhaupt keine Alternative sind – weil es vielleicht selber nie erleben durften oder aus vielen anderen Gründen.
Nun ist es aber so, dass gerade Eltern eine wesentliche Rolle haben, wenn es um den Erwerb von Lese- und Lernkompetenzen im frühkindlichen Bereich geht. Genau hier sehen wir unseren Auftrag: Wie bringt man Eltern dazu, mit ihren Kindern zu lesen. Genau die Eltern, die eben keine Bibliotheken benutzen.
Es wäre doch toll, wenn Eltern anfangen mit ihren Kindern zu lesen und dann in Bibliotheken gehen, oder?
Liebe Grüße, Julius Bertram