In letzter Zeit wurde oft über die schwierige Situation von Eltern während der Corona-Krise berichtet, die den Spagat zwischen Job, Haushalt und Kinderbetreuung schaffen müssen. Wir bei Librileo finden es auch richtig und notwendig, auf ihre Lage hinzuweisen! Heute wollen wir aber einmal schauen, wie es den Kindern in all dem Trubel geht. Während sie schnell als “Stressfaktor” gesehen werden, begegnen sie ganz eigenen Problemen und Herausforderungen. Immer mehr Eltern in Deutschland schließen sich daher zu Protestbündnissen zusammen. In Düsseldorf gab es vergangenen Dienstag sogar eine Demonstration. Die Eltern fordern, bei der Lockerung der Corona-Maßnahmen die Bedürfnisse von Kindern stärker zu berücksichtigen und sie nicht nur als mögliche Virusträger wahrzunehmen.

 

Kinder mit Geschwistern und Garten klar im Vorteil 

 

Wie Kinder die aktuelle Situation erleben, hängt von einigen Rahmenbedingungen ab. Wenn es viel Platz in der Wohnung und vielleicht sogar einen Garten gibt und die Eltern relativ viel Zeit haben, können die vergangenen Wochen sogar eine willkommene Auszeit sein. Der normale Alltag mit Schule, Hausaufgaben und Vereinsaktivitäten kann nämlich schon für die Kleinsten schnell sehr stressig werden. Manche Kinder nutzen die Gelegenheit nun, um mehr Zeit mit den Eltern zu verbringen, mit den Geschwistern zu spielen oder neue Hobbys auszuprobieren. 

Urlaubsähnliche Zustände herrschen aber natürlich nicht für Kinder, die auf engem Raum mit ihrer Familie zusammenleben, deren Eltern jobbedingt voll eingespannt sind oder die sich als Einzelkinder besonders einsam fühlen. Wenn man den lieben langen Tag aufeinander hockt, entstehen schnell Spannungen und Stress und im schlimmsten Fall kann es zu Fällen häuslicher Gewalt kommen. Wenn ihr mehr als ein Elternteil seid, wechselt euch mit der Kinderbetreuung am besten ab, um Eskalationen zu vermeiden.

 

Achterbahn der Gefühle 

 

Unabhängig von den äußeren Rahmenbedingungen werden Kinder mit einer Vielzahl teils heftiger Gefühle konfrontiert. Den meisten fällt es schwer, die Situation zu verstehen, sie sind verunsichert. “Wann darf ich wieder in die Schule?” und “Könnten auch wir oder Oma und Opa das Virus bekommen?” fragt sich zum Beispiel Mathilda (8 Jahre). Ähnliche Fragen schwirren vielleicht auch euren Kids durch den Kopf. Magnus (7 Jahre) fragt sich sogar: “Wird Corona je aufhören?”. Viele vermissen ihre Freunde, Martha (3 Jahre) würde am liebsten mit ihrer Freundin Eis essen gehen. Soziale Interaktionen sind schon sehr früh immens wichtig für Kinder, die Trennung von Freund*innen und Schulkamerad*innen ist hart.

Viele Kinder plagt Angst: Vor dem Virus, also selbst krank zu werden, vor allem aber davor, dass jemand Nahestehendes sterben könnte. Neben Unsicherheit, Sehnsucht und Angst empfinden viele Kinder Frustration und sind traurig, weil Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten abgesagt werden. Gegenüber der Situation empfinden sie eine hohe Machtlosigkeit. Die Anforderung, sich irgendwie zurechtfinden zu müssen, kann Stress und Druck hervorrufen. All diese Gefühle können schnell überfordern und zu kleineren oder größeren Ausbrüchen, etwa Weinen oder Herumschreien, führen. 

 

Sorgen ernst nehmen und offen über Ängste sprechen 

 

Ihr könnt euren Kindern helfen, mit der Situation umzugehen. Ganz allgemein gilt, dass eure Kinder ihre Gefühle auch mal ausleben sollten. Versucht, nicht immer sofort zu trösten, da Emotionen dadurch unterdrückt werden könnten. Am besten findet ihr eine Balance zwischen dem Aushalten von Gefühlen und Ablenkung. Gegen Angst helfen zum Beispiel schon ein paar feste Alltagsroutinen, weil diese den Tag vorhersagbar machen und Unsicherheit reduzieren. Achtet darauf, dass das Kuscheln nicht zu kurz kommt. Durch Körperkontakt werden nämlich Bindungshormone freigesetzt und eure Kinder fühlen sich weniger einsam. Sprecht offen mit euren Kindern über Ängste und Sorgen. Versucht dabei, Sicherheit zu vermitteln, redet ihnen ihre Sorgen aber nicht aus. Wenn eure Kinder von sich aus nicht auf euch zukommen, seid aufmerksam: Nervosität, Konzentrationsprobleme und Reizbarkeit sowie körperliche Symptome, wie Bauch- und Kopfschmerzen oder Übelkeit, können Anzeichen dafür sein, dass euer Kind seelische Probleme mit sich herum trägt. Sucht aktiv das Gespräch oder zieht im Zweifel professionelle Hilfe heran. Bundesweit gibt es zum Beispiel die Nummer gegen Kummer für Kinder (0800 111 0 333) und Eltern, die sich um ihr Kind sorgen (0800 111 0 550). Die Nummer ist montags bis freitags zwischen 14-20 Uhr erreichbar. Wenn ihr befürchtet, dass ein Kind Gewalt ausgesetzt sein könnte, wendet euch an den Kinderschutzbund oder das Jugendamt in eurer Region. 

 

Besondere Belastung für Kinder in Armut 

 

Zusätzliche Belastungen kommen infolge der Corona-Krise auf Kinder zu, die von Armut bedroht oder bereits betroffen sind. Schon vor Corona waren das etwa 3 Millionen Kinder in Deutschland und nun werden höchstwahrscheinlich mehr Familien auf Hartz-IV angewiesen sein. Der Satz ist aber gerade jetzt viel zu knapp bemessen, weil zum Beispiel das kostenlose Essen in Schule und Kita wegfällt und Eltern sich selbst um die Verpflegung kümmern müssen. Viele Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz können momentan wegen der Kontaktbeschränkungen nicht wahrgenommen werden. Die Ungerechtigkeit in der Bildung wächst somit und betroffene Kinder haben nicht nur kurzfristig einen Nachteil, sondern leiden womöglich ihr ganzes Leben lang darunter.

Deswegen haben einige Organisationen, darunter die AWO und der Kinderschutzbund, am 23. April eine Forderung nach Soforthilfen gestellt. Sie wollen, dass der Hartz-IV-Regelsatz erhöht wird und dass alle Kinder Zugang zum Internet und digitale Geräte bekommen, um beim Unterricht mithalten zu können. Außerdem fordern sie besondere Betreuungsangebote für Kinder aus einkommensschwachen Familien und von Alleinerziehenden. 

 

Unsere Kinder sind die Systemrelevanten von morgen!

 

Unsere Kinder können uns gerade in dieser turbulenten Zeit manchmal gehörig auf die Nerven gehen und richtige kleine Biester sein. Dabei sollten wir aber ihre ganz individuellen Emotionen und Belastungen nicht aus dem Blick verlieren und ihre Bedürfnisse sollten bei allen Maßnahmen gegen das Corona-Virus mitberücksichtigt werden. Gerade die seelischen und psychischen Herausforderungen in diesen Tagen können im schlimmsten Fall langfristig Spuren hinterlassen. Damit es unseren Kindern in Zukunft gut geht, sollten wir sie jetzt nicht vergessen!